08_Konzept zur Benennung der öffentlichen Verkehrsflächen und Privatwege .pdf

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Sebastian Gulden
Olympisches Dorf in Elstal
Konzept zur Benennung
der öffentlichen Verkehrsflächen
und Privatwege
Verfasst im Auftrag der
Gemeinde Wustermark
Inhalt
4
Inhalt
Vorwort ..................................................................................................................................................................................
5
Vorschläge zur Benennung ...............................................................................................................................................
7
Übersicht der Benennungsvorschläge ...........................................................................................................................
18
Vermittlung im Rahmen des Muesalen Konzeptes ....................................................................................................
19
Verzeichnis der verwendeten Literatur (Auswahl) ...................................................................................................
21
Impressum ............................................................................................................................................................................
22
Beilagen: Zwei Lagepläne des Olympischen Dorfes (Nord- und Südteil)
Vorwort
5
Vorwort
Ausgangslage
Diese Ausarbeitung habe ich im Jahre 2021 im Auf
-
trag der Gemeinde Wustermark angefertigt. Mit der
Konversion des Dorfareals seit 2018 ergab sich die
Notwendigkeit, die nun als öffentliche Verkehrswe
-
ge gewidmeten Straßen und Privatwege im Olym
-
pischen Dorf mit (amtlichen) Benennungen zu ver
-
sehen. Die Gemeinde Wustermark hatte zunächst
geplant, dass die Verkehrswege ausschließlich die
Namen von Persönlichkeiten tragen sollen, die mit
den Olympischen Sommerspielen von 1936 in Berlin
in Zusammenhang stehen.
Herr Dr. Thomas Steller von der DKB-Stif
-
tung für gesellschaftliches Engagement hat in
seiner Stellungnahme zu meiner ersten Ausar
-
beitung vom 11. Januar 2021 darauf hingewie
-
sen, dass eine Beschränkung auf die Olympia-
zeit der facettenreichen Geschichte des Olympischen
Dorfes in Elstal nicht gerecht würde und gar dazu
beitragen könnte, die komplexen und kritisch zu
würdigenden Faktoren seines Entstehens und Wan
-
dels zu verunklären. Ich schließe mich der Sichtwei
-
se von Herrn Dr. Steller in vollem Umfange an und
danke ihm für seine kritische Prüfung des ersten
Konzeptentwurfes sowie für diverse Anregungen
für die Benennung der Verkehrsflächen, die in dieses
Konzeptpapier eingeflossen sind. Das neue Konzept
sieht vor, die Verkehrswege im Olympischen Dorf
mit Bezeichnungen unterschiedlicher Kategorien zu
würdigen, die verschiedene Phasen seiner Geschich
-
te abdecken. Unter den 28 Vorschlägen finden sich
neben Flurnamen die Bezeichnungen prägender Ge
-
bäude und Anlagen sowie Persönlichkeiten, Ereig
-
nisse und Phänomene, die mit der Dorfgeschichte in
engem Zusammenhang stehen.
Historische Wegebenennung
Die Straßen des Olympischen Dorfes waren bereits
1936 benannt, und zwar nach den Gauen der Deut
-
schen Turnerschaft (u.
a. Preußenweg, Frankenweg,
Ostmarkweg).
1
Die Gebäude, die sich an den Stra
-
ßen befanden, erhielten analog dazu die Namen
bedeutender Orte und Inseln in der jeweiligen Re
-
gion. Eine 1936 in einer Besucherbroschüre publi
-
zierte Grafik zeigt, dass die Planer bei der Vergabe
der Namen eine Karte des Deutschen Reiches über
den gewesteten Lageplan des Dorfes legten und die
Straßen- und Städtenamen entsprechend im Dorf
verteilten, wenngleich dies zum Teil nur näherungs
-
weise gelang (vgl. Abb. 1 auf der Folgeseite).
2
Die Hausnamen blieben nach der Umnutzung
des Olympischen Dorfes zum Lazarett und zur In
-
fanterieschule 1936
– 1937 in Verwendung. Ob dies
bei den Straßenbezeichnungen der Fall war, ist un
-
klar, aber wahrscheinlich. Nach der Übernahme des
Dorfes durch die Rote Armee 1945 geriet die No
-
menklatur in Vergessenheit (die Nummerierung der
Häuser von 1936 wurde beibehalten). Die meisten
Athletenhäuser wurden abgebrochen – anfangs zur
Gewinnung von Baumaterial, später, um Platz für
Plattenbauten mit Offizierswohnungen zu schaffen.
Die Hauszeichen an den verbliebenen Gebäuden
wurden sämtlich übermalt oder abgeschlagen. Von
den Wandbildern in den Tagesräumen blieben ein
paar wenige erhalten,
3
weitere liegen möglicherwei
-
se unter jüngeren Putzen und Übermalungen. Insbe
-
sondere im Zuge der teilweisen Neubebauung des
Areals mit Wohnblöcken ab 1967 änderte man die
Trassen verschiedener Erschließungsstraßen. Wie
die sowjetische Standortverwaltung die Verkehrs
-
wege innerhalb des Dorfes bezeichnete – entspre
-
chende verbindliche Regelungen muss es aus prak
-
tischen Gründen gegeben haben –, ist nicht bekannt.
Aufbau dieser Ausarbeitung
Die Ausabreitung besteht im Wesentlichen aus der
Aufstellung der Flurnamen, Baulichkeiten, Ereignis
-
se, Persönlichkeiten usw., die Herr Dr. Steller und
ich als besonders bedeutend und aussagekräftig für
Vorwort
6
1
Plan von 1937, abgedruckt in Hübner 2008, S. 606. Die Deu
-
tung als Turngaue verdanke ich dem Hinweis von Dr. Tho
-
mas Steller (vgl. dazu auch Hübner 2008, S. 128). Für wei
-
tere Nachforschungen zu den Haus- und Wegenamen und
den Umständen ihrer Entstehung gebührt mein Dank ferner
Herrn Jan Bejšovec (DKB-Stiftung).
2
Saalbach 1936, S. [24
– 25].
3
Mitteilung von Dr. Thomas Steller.
1
Lageplan des Olympischen Dorfes mit Verteilung der Hausnamen an Hand einer daraufprojizierten Karte des Deutschen Reiches.
Illustration von Ruth Hasse, 1936.
die Geschichte des Olympischen Dorfes identifiziert
haben. Dabei habe ich versucht, alle bedeutsamen
Phasen der Dorfgeschichte gleichermaßen zu wür
-
digen und möglichst unterschiedliche toponomas
-
tische Kategorien abzudecken. Auch die Frage, ob
und inwiefern die Benennung sich in sichtbaren Ele
-
menten der Topografie bzw. der Baudenkmale auf
dem Gelände widerspiegelt, habe ich nicht zuletzt
mit Blick auf das geplante Museale Konzept für das
Dorfgelände und die Identifikationsmöglichkeiten
für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner
bzw. Nutzerinnen und Nutzer berücksichtigt.
Die einzelnen Kandidaten für die Straßenbenen
-
nung sind im nachfolgenden Kapitel in thematischer
bzw. chronologischer Sortierung nach den prägen
-
den historischen Phasen der Dorfgeschichte aufge
-
führt. Neben einer Beschreibung des betreffenden
Toponyms bzw. eines biografischen Abrisses der
zu ehrenden Persönlichkeit enthalten die einzelnen
Einträge eine Erläuterung, aus welchen Gründen
der betreffende Name eine Würdigung verdient.
Alle Vorschläge sind nach ihrer Eignung in zwei Ka
-
tegorien eingeteilt: Kategorie A enthält Vorschläge
von besonderer historischer Relevanz, Kategorie B
ist als „Reserve“ für weitere Namensvergaben ge
-
dacht. Eine Tabelle im Anschluss an die Namensliste
führt alle Vorschläge in einer Übersicht auf.
Im daran anschließenden Kapitel (S. 20
f.) habe
ich meine Überlegungen niedergeschrieben, wie die
Straßenbezeichnungen im öffentlichen Raum erläu
-
tert und in das Museale Konzept für das Olympi
-
sche Dorf integriert werden könnten. Eine Liste mit
der wesentlichen Literatur (S. 21), die ich für mei
-
ne Recherchen verwendet habe, schließt die Ausar
-
beitung ab.
Sebastian Gulden Nürnberg, im Juni 2021
Vorschläge zur Benennung
7
Vorschläge zur Benenung
Toponomastische Kategorien
Die Vorschläge zur Benennung der Verkehrsflächen im
Olympischen Dorf rekrutieren sich aus verschiedenen
toponomastischen Kategorien. Das Dorf und die Facet
-
ten seiner Geschichte stellen dabei das verbindende Ele
-
ment dar:
historische Flur- und Gewässernamen sowie prä
-
gende Elemente der Landschaft
Wegebezeichnungen von 1936
Institutionen und Persönlichkeiten, deren Biografie
und Wirken mit der Geschichte des Dorfes verwo
-
ben sind
beudetende bestehende und abgegangene Einzel
-
bauten bzw. Anlagen
historische Nutzungen von Dorfbereichen und Ge
-
bäuden
geschichtliche Ereignisse und Phänomene, die mit
dem Dorf und seiner Geschichte in Zusammenhang
stehen
Kriterien der Auswahl
Ein zentrales Kriterium der Auswahl ist das Anliegen,
möglichst viele zeitliche und thematische Facetten der
Geschichte des Dorfes abzubilden. Die neuen Benen
-
nungen der Verkehrsflächen sollen den Elstalerinnen
und Elstalern und ihren Gästen einen Zugang schaffen
zur Entstehung des Ortes „Olympisches Dorf”, seinen
verschiedenen Nutzungen und Wandlungen. Die sehr
unterschiedlich gute Forschungslage bedingt, dass die
Zahl der Vorschläge ungleich auf die Phasen der Dorfge
-
schichte verteilt sind, auch deshalb, weil manche theore
-
tisch mögliche Benennung im Widerspruch zum Gebot
der „sozialen Verträglichkeit” von Straßennamen (siehe
unten) stehen würde.
Die Flurnamen, aussagekräftige Zeugnisse des histo
-
rischen Wandels von Lebensverhältnissen, Sprache und
naturräumlicher Umgebung, besitzen Relevanz für die
Ortsgeschichte, da sie im Zuge des Strukturwandels und
der Überbauung der vormals freien Kulturlandschaft
zunehmend aus dem kollektiven Gedächtnis verschwin
-
den. Ähnliches gilt für die historischen Nutzungen (v.
a. jenseits der kurzen Olympia-Nutzung 1936) und die
prägenden, besonders die abgegangenen Bauten des
Dorfes. Sie ergänzen die bereits vorgenommenen amtli
-
chen Benennungen „Zum Olympischen Dorf” und „Am
Speisehaus der Nationen”. Von besonderer Wichtigkeit
ist dabei, kritische Zugänge zur propagandistischen
Instrumentalisierung der Olympischen Sommerspiele
von 1936 und auch des Dorfes zu gewähren. Die Bau
-
ten und Nutzungen sind in den Erinnerungen vieler El
-
stalerinnen und Elstaler verankert. Es gilt diese lokalen
Erinnerungsorte zumindest in Form von Straßennamen
und einer entsprechenden Präsentation im Rahmen des
Musealen Konzeptes für das Dorf zu bewahren.
Bei den zu ehrenden Persönlichkeiten stehen die
gesellschaftliche Relevanz (besondere Verdienste und
z. B. sportliche Ausnahmeleistungen) und die würdige
Lebensführung, die mit der geltenden freiheitlich-demo
-
kratischen Grundhaltung vereinbar sein muss, im Vor
-
dergrund. Ausgeschlossen sind mithin Persönlichkeiten,
die den Nationalsozialismus, den NS-Unrechtstaat und/
oder Rassismus, Antisemitismus, Eugenik und Militaris
-
mus (insbesondere „Dolchstoßlegende” und Glorifizie
-
rung des Ersten Weltkrieges) aktiv gefördert haben oder
ihre führende Position und ihren Einfluss dazu miss
-
braucht haben, diesen Haltungen Vorschub zu leisten.
Auch extreme, insbesondere im öffentlichen Wirken zur
Schau getragene Frauenfeindlichkeit und Homophobie
stellten Ausschlussgründe dar. Mit Hans von Seeckt
und Wolfgang Fürstner sind auch zwiespältige Biogra
-
fien berücksichtigt, die zur Auseinandersetzung mit den
politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der
Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus anre
-
gen sollen. Diesem Zweck dient auch das Gedenken an
bedeutsame historische Ereignisse, die mit der Geschich
-
te des Olympischen Dorfes zusammenhängen. Bei den
in der Liste vertretenen Persönlichkeiten des Sportes –
der „Jesse-Owens-Ring” ist bereits amtlich benannt – ist
Vorschläge zur Benennung
8
auch eine Auswahl von Sportlerinnen enthalten, obwohl
diese 1936 nicht im Dorf untergebracht waren. Da diese
Frauen wegen ihrer Lebensgeschichte und sportlichen
Leistungen von Bedeutung für den Gesamtkontext der
Spiele, ihrer ideologischen Vereinnahmung und der
zahlreichen Wechselwirkungen mit den rassistischen,
antisemitischen und völkischen Mechanismen des nati
-
onalsozialistischen Regimes stehen und der Grundsatz
der Gleichberechtigung und Gleichstellung ihre Würdi
-
gung gebietet, sollten diese Persönlichkeiten bei der Na
-
mensvergabe unbedingt berücksichtigt werden.
Ein Kriterium war schließlich auch der Klang der
jeweiligen Bezeichnung und ob sie die Möglichkeit ei
-
ner positiven Assoziation bieten, ohne dabei eine kriti
-
sche Reflexion zu verhindern oder gar euphemistisch
zu überdecken. Hier greift der bei der Vergabe von
Straßennamen in Deutschland regelmäßig angewandte
Grundsatz der „sozialen Verträglichkeit”: Demnach sind
Bezeichnungen, die eine herabwürdigende Wirkung auf
die Anwohner der jeweiligen Straße oder des Platzes
entfalten könnten, nicht zulässig.
Hinweise zur Benutzung
Die nachfolgende Aufstellung ist primär nach den ge
-
schichtlichen Hauptphasen der Dorfgeschichte geglie
-
dert. Jeder Eintrag verfügt über eine Nummer. Diese
Nummer findet sich auf dem beiliegenden Lageplan des
Dorfes wieder, um die Verortung der bezeichneten Ge
-
bäude, Fluren, Anlagen bzw. der Wirkungszentren his
-
torischer Persönlichkeiten in der Topografie zu verorten.
Die in Klammern gesetzten Buchstaben „A” und „B”
neben dem Benennungsvorschlag in der Kopfzeile des
jeweiligen Eintrages zeigen die Einteilung in die beiden
Bedeutungskategorien an.
Ich habe mir erlaubt, den Einträgen Vorschläge zur
genauen Benennung beizugeben. Selbstredend sind,
abhängig von der Topografie und Freiflächengstaltung
bzw. Form der jeweiligen Verkehrsfläche (Stichwort:
Grundwortanalogie), auch andere Suffixe möglich. Die
letztendliche Entscheidung kann nach der definitiven
Auswahl der Benennungen im Rahmen der geografi
-
schen Verteilung im Dorfgelände erfolgen.
2
Teilansicht der Oberen Dorfaue mit Blick gegen Westen auf das Speisehaus der Nationen, aufgenommen 1936 kurz vor Vollendung des Dorfes
(Foto: anonym, Sammlung terraplan).
Vorschläge zur Benennung
9
1. Flurnamen und Landschaftselemente
1.1 Dorfaue (A)
Würdigung
: Als zentraler, gen Westen ansteigender
Grünzug stellt die 1935 von den Gebrüdern March mit
Heinrich Wiepking-Jürgensmann geplante so genann
-
te „Dorfaue” eines der wichtigsten landschaftsplaneri
-
schen Elemente des Olympischen Dorfes dar (Abb. 2, S.
8). Als Erholunsgfläche, aber auch als nur teilweise
mit Bäumen bepflanzter Freiraum eignet ihr großes Ge
-
wicht als landschaftsprägendes Element und als Haupt
-
sichtachse zwischen zweien der Großbauten des ur
-
sprünglichen Dorfes, dem Empfangsgebäude und dem
Speisehaus, zu. Wie ein Großteil der Dorfanlage ist auch
sie Ergebnis umfangreicher Erdbewegungen, die das
Bild der angeblich weitgehend naturbelassenen Land
-
schaft stark veränderten.
Die Aue ist als Zitat historischer Dorfanger zu ver
-
stehen, die insbesondere für die Siedlungslandschaft im
Osten Deutschlands (auch und insbesondere in Bran
-
denburg) typisch sind. Die Aue war durch eine flaschen
-
halsartige Engstelle in zwei Teile gespalten, die nach
ihrer Höhenlage im Gelände als „Obere” bzw. „Untere
Dorfaue” bezeichnet wurden. Bei der Straßenbenennung
können also, falls nötig und gewünscht, beide Auen se
-
parat gewürdigt werden.
Vorschläge zur Benennung
: An der Dorfaue, An der Obe
-
ren Dorfaue, An der Unteren Dorfaue
1.2 Die Birke (B)
Würdigung
: Die Birke, eine in der Region heimische und
häufig anzutreffende Laubbaumart, wurde sowohl bei
der Landschaftsgestaltung des Olympischen Dorfes
durch Heinrich Wiepking-Jürgensmann 1934
– 1936 als
auch bei der teilweisen Neugestaltung der Freiflächen
durch die Rote Armee ab etwa 1963 in großer Zahl im
Dorf angepflanzt. Die Birke ist ein verbindendes Element
zwischen zweien der prägenden Phasen der Dorfge
-
schichte bzw. der deutschen und ostslawischen Kultur,
insbesondere des Volksglaubens. Entsprechende beson
-
dere Bezugspunkte im Gelände stellen dar: zum einen
der Birkenring, an dem während der Spiele von 1936 die
Dorfmusik des Lehrbataillons Döberitz aufspielte. Der
annähernd kreisrunde, von Birken umstandene Platz
am Zusammentreffen der beiden Teile der Dorfaue war
gleichzeitig als „Thingplatz” ausgewiesen. Als Zeugnis
der neopaganistischen Thingbewegung in der NS-Zeit
sollten diese Tingplätze als Versammlungs- und Feier
-
stätten im Dienste des Führer- und Germanenkultes
dienen. Der Birke wurde von der NS-Volkskunde große
kultische Bedeutung in der altgermanischen Kultur zu
-
gemessen, weshalb sich die Baumart häufig an Things
-
tätten und vergleichbaren Einrichtungen der NS-Zeit
anfindet. Der Thingplatz im Olympischen Dorf erfüllte
diese kultische Funktion anscheinend jedoch nie, son
-
dern stand den als solchen genutzten Thingplätzen nur
typologisch nahe. Er war eher allgemein ein Ort der Zu
-
sammenkunft, der Erholung und sportlicher Freizeitbe
-
tätigung. Die dezidierte Würdigung des „Birkenringes”
verbietet sich jedoch aufgrund der Assoziation.
Zum anderen ist die in den Nachkriegsjahren an
-
gelegte Birkenallee am Waldsee zu nennen. Über ihre
landschaftsgestaltende Funktion hinaus setzte man die
Birke hier gewiss nicht zuletzt deshalb ein, weil sie an
die Vegetation weiter Teile Osteuropas, insbesondere
das prototypische, in Literatur, Bildender Kunst und
Musik häufig thematisierte Landschaftsbild Nord- und
Mittelrusslands, der Ukraine und Weißrusslands erin
-
nerte. Auch in den (ost-)slawischen und finno-ugrischen
Kulturen wird der Birke seit vorchristlicher Zeit große
kultische Bedeutung zugeschrieben.
Vorschlag zur Benennung
: Birkenallee
1.3 Elsgrund (A)
Würdigung
: Der Flurname „Elsgrund” bezeichnet die
Niederung zwischen Elstal, dem Radelandberg, dem
Westrand der Döberitzer Heide, Priort und Dyrotz.
Die Bezeichnung, erstmals 1819 beim Bau des Vorwer
-
kes Elsgrund dokumentiert, ist wohl als „von Erlen
bestandene Niederung” zu interpretieren. Die ab 1911
angelegte Fliegerkaserne (siehe unten) übernahm diese
Bezeichnung. Der verwandte Name der 1918 gegrün
-
deten Eisenbahnersiedlung Elstal ist wohl nicht direkt
vom Elsgrund abgeleitet, beide Bezeichnungen hängen
aber historisch zusammen. Der Flurname besitzt mithin
Bedeutung für den Ort Elstal über dessen militärische
Geschichte hinaus.
Vorschlag zur Benennung
: Im Elsgrund
1.4 Rhinslake (B)
Würdigung
: Die Rhinslake, ein natürlicher, wasserfüh
-
render Graben, verläuft im Osten des Hindenburghauses
zwischen Haken- und Galgenberg und stellt eine wich
-
tige natürliche Zäsur im Gelände dar. Die zahlreichen
natürlichen und künstlichen Wassergräben sind ein kon
-
stituierendes Element der Natur- bzw. Kulturlandschaft
in und um Elstal. Bei den vorbereitenden Maßnahmen
zum Bau des Olympischen Dorfes ergruben Archäolo
-
gen 1935 in der Senke Tonkrüge und Scherben, die der
so genannten „Baalberger Kultur” (4./5. Jahrtausend v.
Vorschläge zur Benennung
10
Chr.) zugeordnet und als Belege für eine vorzeitliche
„indogermanische” Siedlung angeführt wurden. Eine
naheliegende Straßenbenennung nach dieser Kultur er
-
scheint mir kritisch, solange die Befunde der NS-Zeit,
die häufig durch verfälschende pseudwissenschaftliche
Einflüsse geprägt sind, nicht einer neuerlichen Prüfung
unterzogen worden sind.
Vorschläge zur Bennnung
: An der Rhinslake, Über der
Rhinslake, Rhinslaker Ring
2. Nutzung durch Kaiserliche Armee und
Reichswehr (1895
– 1933)
2.1 Garnison (B)
Würdigung
: Das Gelände des nachmaligen Olympischen
Dorfes gehörte ab 1895 zum Gelände des neu gegrün
-
deten Truppenübungsplatzes Döberitz. Abgesehen von
Schießständen im Osten und Süden des Dorfes sind kei
-
ne spezifischen militärischen Nutzungen für das Areal
nachweisbar, bis 1911 der Flugplatz mit Fliegerkaserne
(siehe unten) angelegt wurde.
Vorschlag zur Benennung
: Garnisonstraße
2.2 Fliegerkaserne (A)
Würdigung
: 1911
– 1914 legte das Deutsche Heer im Sü
-
den von Elstal einen Militärflugplatz mit Kaserne („Flie
-
gerkaserne Elsgrund”) an. U. a. absolvierte der als „Ro
-
ter Baron” bekannte Manfred von Richthofen hier seine
Ausbildung als Jagdflieger (eine Straßenbenennung zu
seinen Ehren – in der NS-Zeit aus militaristischen und
nationalistischen Gründen häufig vorgenommen – halte
ich jedoch nicht für angebracht; die Rosa-Luxemburg-
Allee in Elstal trug 1935
– 1950 den Namen „Richtho
-
fenring”).Während sich das Rollfeld und die Einstell
-
schuppen im Süden der Hamburger Chaussee befanden,
liegen das Kasino (Abb. 3) und der so genannte „Flie
-
gerbrunnen” nördlich der Straße auf dem Gebiet des
nachmaligen Olympischen Dorfes. Der historisierend
gestaltete, restaurierungsbedürftige Brunnen zeigt die
Wappenreliefs der Achsenmächte.
Die Kaserne, der Flugplatz und der Brunnen sind be
-
deutende Mosaikstein der Elstaler Siedlungs- und deut
-
schen Militärgeschichte und bieten einen auch anhand
von Realia vor Ort erlebbaren Zugang zu den geistigen,
politischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für
den im kollektiven Bewusstsein allzu oft beschönigend
3
Offizierskasino der Fliegerkaserne auf einer 1921 gelaufenen Ansichtskarte (Foto: anonym, Sammlung terraplan). Das Gebäude stellt mit
seiner Gestaltung im Reformstil ein typisches Beispiel für die Militärarchitektur des Deutschen Kaiserreiches um 1910 dar.
Vorschläge zur Benennung
11
verklärten Ersten Weltkrieg und die unerhörte Aufrüs
-
tung mit modernstem Gerät (wie dem Flugzeug), die
auch in Elstal stattfand.
Vorschläge
zur Benennung
: Fliegerstraße/-weg
2.3 Hans von Seeckt (B)
Würdigung
: Hans von Seeckt (1866
– 1936) begründete
als Generaloberst und Chef der Heeresleitung die
Reichswehr als erste deutsche Parlamentsarmee.
Er war bestrebt, den Einfluss des Militärs auf die
Politik, die sich im späten Kaiserreich Bahn gebrochen
hatte, einzudämmen. Gleichwohl galt und gilt er als
kontroverser Militär, der die Schwarze Reichswehr (wohl
auch in Döberitz aktiv) gewähren ließ und während des
Kapp-Putsches 1923 versuchte, die regierungstreuen
Teile der Armee aus der Niederschlagung des Aufstandes
herauszuhalten – wenngleich mit dem erklärten Ziel,
einen drohenden Zerfall der Reichswehr zu verhindern
(Von Seeckt wird dazu u. a. das Zitat „Reichswehr schießt
nicht auf Reichswehr“ zugeschrieben). Ein Besuch Von
Seeckts im Olympischen Dorf ist für 1936 verbürgt. Seine
Person und sein verteidigungspolitisches Wirken laden
zur kritischen Auseinandersetzung mit der (Militär-)
Geschichte der Weimarer Republik ein, die während
der Präsenz der Deutschen Reichswehr dahier auch und
gerade für die Geschichte von Elstal von Bedeutung ist.
Vorschlag zur Benennung
: Seecktstraße
3. Olympische Spiele (1936)
3.1 Empfangsgebäude (A)
Würdigung
: Neben dem Speisehaus der Nationen und
dem Hindenburghaus stellte das von den Gebrüdern
March entworfene Empfangsgebäude (Abb. 4) an der
Hamburger Chaussee eines der drei städtebaulich und
architektonisch dominierenden Großbauten des Olym
-
pischen Dorfes dar. Für das hier 1936 untergebrachte
Personal, die Sportler, ihre Betreuer und Besucher war
der Bau mit seiner bogig geschwungenen Fassade und
dem vorgelagerten Rondell der erste prägende Eindruck
des Olympischen Dorfes. Nachdem es 1936
– 1945 von
der Wehrmacht weitergenutzt worden war, wurde das
Gebäude aus unbekannten Gründen zwischen 1945 und
4
Südostfassade des Empfangsgebäudes des Olympischen Dorfes mit dem Vorplatz, aufgenommen während der Sommerspiele von 1936 (Foto:
anonym, Sammlung Emanuel Hübner).
Vorschläge zur Benennung
12
1949 abgebrochen. Heute ist nur noch die Tunnelzufahrt
für Kraftfahrzeuge, die die gewundene Form der Fassa
-
de nachzeichnet, erhalten. Mit Blick auf die Bedeutung
des Empfangsgebäudes für die Gesamtanlage und die
Nutzungsgeschichte des Dorfes, insbesondere aber mit
Rücksicht auf den geplanten Neubau an seiner Stelle,
der Elemente des Ursprungsbaus aufgreifen soll, ist ein
Gedenken an das verlorene Bauwerk angeraten. Voraus
-
setzung sollte allerdings sein, dass der Neubau tatsäch
-
lich die Form des historischen Empfangsgebäudes in
den Grundzügen aufgreift und mithin eine historische
Querverbindung erkennen lässt.
Vorschlag zur Benennung
: Am Empfangsgebäude
3.2 Bastion (A)
Würdigung
: Die so genannte „Bastion” entstand
1935
– 1936 im Südosten der Oberen Dorfaue. Sie diente
als prominent platzierte Aussichtsplattform (in der Tra
-
dition des klassischen Belvedere) mit Rundblick über
das Dorfareal mit angeschlossener alkoholfreier Bar. Der
Name, sicher auch mit Rücksicht auf die militärische
Nachnutzung des Dorfes gewählt, leitet sich von der
Lage und Bauform ab, die mit ihrem massiven Unterbau
auf kreisförmigem Grundriss und der darauf errichte
-
ten, nicht mehr erhaltenen offenen Halle mit Kegeldach
an die Bastionen aus dem frühneuzeitlichen Festungs
-
bau erinnerte. Die Bastion gehörte zu den prägenden
baulichen bzw. landschaftsarchitektonischen Elementen
des Olympischen Dorfes von 1936. Auf dem erhaltenen
Sockel ist ein Neubau in Anlehnung an das historische
Aussehen geplant.
Vorschlag zur Benennung
: An der Bastion
3.3 Gretel Bergmann (A)
Würdigung:
Obschon Gretel Bergmann (1914
– 2017, Abb.
5, S. 13) bereits 1933 wegen der Repressalien gegen
Juden in die USA emigriert war, erzwang das Deutsche
Reich 1936 mit Drohungen gegen die Angehörigen ihre
Rückkehr zu den Sommerspielen, um sie als „Alibijü
-
din” ins Kader aufzunehmen. Das Training wurde ihr
absichtlich erschwert. Kurz vor den Spielen wurde Berg
-
mann trotz außergewöhnlicher Ergebnisse unter dem
Vorwand unzulänglicher Leistungen von der Teilnahme
an den Spielen ausgeschlossen. Sie ging in die USA zu
-
rück und feierte auf der nationalen Sportbühne mehrere
Erfolge.
Bergmanns Biografie wirft ein Schlaglicht auf die an
-
tisemitische Politik der Nationalsozialisten auch in der
Sportwelt und das geradezu perverse Lavieren des Regi
-
mes zwischen der Durchsetzung menschenverachtender
Ideologie und dem Versuch, der Weltöffentlichkeit das
Scheinbild einer liberalen Nation zu vermitteln. Ferner
verdienen Bergmanns sportliche Ausnahmeleistungen
eine Würdigung, auch wenn sie diese international nur
eingeschränkt unter Beweis stellen konnte.
Vorschläge zur Benennung
: Gretel-Bergmann-Straße/-Weg
3.4 lona Elek (A)
Würdigung:
Ilona Elek (1907
– 1988) war mit der Goldme
-
daille 1936 im Florettfechten die erste Olympiasiegerin
ihres Landes und gilt als eine der erfolgreichsten Sport
-
lerin ihres Metiers überhaupt. Neben einer Vielzahl von
Medaillen bei Weltmeisterschaften gewann sie bei den
Sommerspielen von 1948 und 1952 Gold und Silber. Als
„Halbjüdin” schloss sie das faschistische Horthy-Regime
1940 von der Teilnahme an Wettkämpfen aus. Nach ih
-
rem Karriereende arbeitete sie als Kauffrau in Budapest.
Eine tiefere Verstrickung Eleks in die Strukturen der sta
-
linistisch geprägten frühen Ungarischen Volksrepublik
ließ sich nicht feststellen.
Vorschläge zur Benennung
: Ilona-Elek-Straße/-Weg
3.5 Wolfgang Fürstner (A)
Würdigung
: Der Wehrmachtsoffizier Wolfgang Fürstner
(* 1896, Abb. 6, S. 13) war zunächst als Kommandant
des Olympischen Dorfes während der Sommerspiele
von 1936 vorgesehen, der die logistischen und organi
-
satorischen Abläufe zu koordinieren und das Dorf und
sein Personal nach außen zu vertreten hatte. Als bekannt
wurde, das Fürstners Großvater väterlicherseits Jude
war, ließ ihn Kriegsminister von Blomberg unter einem
Vorwand durch Werner von Gilsa ersetzen; Fürstner
wurde zu dessen Stellvertreter degradiert. Wenige Tage
nach Ende der Spiele erschoss sich Fürstner. Die genau
-
en Gründe für seine Tat sind unbekannt, doch dürfte er
weitere Repressalien und das Ende seiner in die Brüche
gehenden Ehe befürchtet haben.
Fürstners Biografie steht für die tiefschürfenden
Auswirkungen, die die „Nürnberger Gesetze” und die
Rassenideologie der Nationalsozialisten auch in der
Geschichte der Olympischen Spiele von 1936 und des
Olympischen Dorfes zeitigten. Dass Fürstner als Ange
-
höriger der Wehrmacht Opfer der Ideologie jenes Staates
und jenes Systems wurde, das er vertrat, führt die Per
-
version und Absurdität des NS-Rassenwahnes drastisch
vor Augen, gerade mit Blick darauf, dass die wahren
Gründe von Fürstners Absetzung bewusst verschleiert
wurden.
Vorschläge zur Benennung
: Wolfgang-Fürstner-Straße/-
We g
Vorschläge zur Benennung
13
3.6 Fernsehübertragung (B)
Würdigung
: Während der Sommerspiele von 1936 wur
-
den einige der Wettkämpfe im Hindenburghaus, dem of
-
fiziellen Gemeinschaftsgebäude des Dorfes, übertragen.
Dabei handelte es sich um die erste Fernseh-Liveüber
-
tragung von Sportveranstaltungen in der Medienge
-
schichte, die in insgesamt 27 „Fernsehstuben” im Reich
gezeigt wurde. Zum Einsatz kam eine Frühform des
Kathodenstrahlröhrenfernsehers („Ferntonkino”), nicht
etwa Projektoren und Leinwände.
Vorschläge zur Benennung
: Fernsehring, Fernsehstraße
3.7 Gaue der Deutschen Turnerschaft (A)
Würdigung
: Wie im Vorwort (S. 5) dargelegt, wurden
die Wege innerhalb des Dorfes 1934 nach den Gauen der
Deutschen Turnerschaft benannt. Ersonnen und verkün
-
det wurde dies durch den Deutschen Reichsbund für
Leibesübungen als Dachverband des deutschen Sportes.
In ihm waren neben Carl Diem auch Theodor Lewald
als Vorsitzendem und Wolfgang Fürstner (siehe unten)
aktiv, wobei die beiden Letzteren wegen ihrer jüdischen
Abstammung später vom Regime ausgegrenzt wurden.
Lewald musste seinen Vorsitz aufgeben, durfte aber we
-
gen im Olympischen Komitee verbleiben, da das Regime
einen internationalen Boykott der Spiele befürchtete.
Die historische Straßenbenennung ist auch als Leistung
Fürstners und Lewalds zu sehen; dass eben diese Mit
-
erfinder später aus antisemitischen Vorbehalten heraus
ausgegrenzt wurden, unterstreicht die Perversion der
antisemitischen NS-Ideologie.
Die Wiederaufnahme der historischen Wegebezeich
-
nungen empfiehlt sich nur dort, wo der ursprüngliche
Charakter des Dorfes von 1936 im Wesentlichen (Stra
-
ßentrasse, Bauten, Bepflanzung) erhalten geblieben ist.
Dies ist bei den nachfolgenden Wegen der Fall.
Vorschläge zur Benennung
: Frankenweg (3.3a), Moselweg
(3.3b), Sachsenweg (3.3c)
3.8 Sohn Kee-chung (A)
Würdigung
: Aufgrund der Besetzung seines Heimat
-
landes Korea musste der Laufsportler Sohn Kee-chung
(1912
– 2002) bei den Sommerspielen 1936 unter japani
-
scher Flagge und unter der japonisierten Form seines
Namens („Kitei Son”) starten. Aus Protest wandte er bei
der Siegerehrung – er gewann Gold im Marathonwett
-
bewerb – bewusst den Blick von der gehissten japani
-
6
Wolfgang Fürstner, designierter Kommandant des Olympischen
Dorfes, 1935 (Foto: anonym, Bundesarchiv).
5
Gretel Bergmann beim Hochsprung, 1936 (Foto: anonym, Archiv
des SSV Ulm 1846).
Vorschläge zur Benennung
14
schen Flagge ab und verbarg das Nationalsymbol auf
seinem Trikot durch den Eichensetzling, den er als Sie
-
ger überreicht bekam. Für diese Geste des gewaltlosen
politischen Widerstandes gegen die völkerrechtswidrige
Annexion Koreas belegten ihn die japanischen Sportoffi
-
ziellen mit lebenslanger Sperre für professionelle Wett
-
bewerbe. Diese Sperre endete 1945 mit der Kriegsnieder
-
lage Japans und der neuerlichen Unabhängigkeit Koreas.
Vorschlag zur Benennung
: Sohn-Kee-chung-Straße/-Weg
3.9 Luz Long (A)
Würdigung
: Der deutscher Leichtathlet Luz Long
(1913
– 1943) errang bei den Olympischen Spielen 1936
die Silbermedaille im Weitsprung. Dabei musste er sich
Jesse Owens (siehe oben) geschlagen geben, mit dem er
sich während der Spiele angefreundet hatte. Pressefotos,
die Long und Owens Arm in Arm und beim Plaudern
auf der Grasfläche des Stadions zeigen, gingen um die
Welt und gelten weithin als mediale Konterkarierung
der Planungen des NS-Regimes, Long als körperlich
und sportlich überlegenen „arischen Herrenmenschen”
zu inszenieren. Nach den Spielen beendete Long sein
Studium, wirkte als Arbeitsjurist und trat dem NS-Stu
-
dentenbund, der SA, wo er den Rang eines Rottenfüh
-
rers bekleidete, und 1940 auch der NSDAP bei. Es lässt
sich jedoch nicht nachweisen, dass Long ein überzeug
-
ter Anhänger der NS-Ideologie war. Long erscheint als
Namensgeber würdig wegen außergewöhnlicher sport
-
licher Leistungen und offen gezeigter Zivilcourage trotz
drohender Nachteile für sich selbst. Seine Mitgliedschaft
in NS-Organisationen regt zur Auseinandersetzung mit
den Themen Mitläufertum, Opportunismus und Über
-
zeugungstätertum in Deutschland zur Zeit des National
-
sozialismus an.
Vorschlag zur Benennung
: Luz-Long-Anlage
3.10 Märchenwald (B)
Würdigung
: Beim Märchenwald handelt es sich um ein
weitgehend naturbelassenes Waldstück im Norden des
Speisehauses. Es war Teil der Erholungsflächen, die den
im Dorf wohnenden Sportlern und ihren Betreuern für
Freizeit und Trainung zur Verfügung standen, später
auch den Patienten des Lazaretts. Seinen (mit Blick auf
die Nachnutzung als Lazarett) beschönigend-deutsch
-
tümelnden Namen, der bereits 1936 feststand, erhielt es
wegen der dort aufgestellten Skulpturen, die Figuren
deutscher Märchen darstellten. Sie sind nach 1945 sämt
-
lich abgegangen.
Mit Blick auf die weitgehende Bebauung dieses wich
-
tigen Elementes der ursprünglichen Naturlandschaft
bzw. Landschaftsgestaltung von 1936 ist ein Gedenken
im Rahmen einer Straßenbenennung nebst Einbindung
in das angedachte Museale Konzept anzuraten.
Vorschläge zur Benennung
: Am Märchenwald, Im Mär
-
chenwald, Märchenwaldweg
3.11 Alfred Nakache (A)
Würdigung
: Zusammen mit der französischen Mann
-
schaft errang der Schwimmer Alfred Nakache
(1915
– 1983, Abb. 7), der einer jüdischen Familie ent
-
stammte, bei den Spielen von 1936 den vierten Platz in
der 4 x 200-Meter-Freistilstaffel. Nach der deutschen Be
-
setzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg eröffneten
Nakache und seine Ehefrau eine Schwimmschule, in der
sie Mitglieder des jüdischen Widerstandes trainierten.
Im Vernichtungslager Auschwitz, wohin er 1943 depor
-
tiert wurde, erhielt er den Beinamen „Schwimmer von
Auschwitz”, da er regelmäßig mit anderen Gefangenen
in einem Löschwasserbecken trainierte. Nach der Befrei
-
ung half Nakache bei der Betreuung kranker Insassen.
Seine Biografie spannt den Bogen zwischen den
zum Schein unter dem Motto des Friedens veranstal
-
teten Spielen von 1936 und dem damals längst geplan
-
7
Alfred Nakache bei einem nationalen Schwimmwettbewerb, 1938
(Foto: AFP).
Vorschläge zur Benennung
15
ten Krieg bzw. der Verfolgung und Vernichtung der
Juden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer.
Vorschläge zur Benennung
: Alfred-Nakache-Straße/-Weg
3.12 Betty Robinson (A)
Würdigung
: Als international erfolgreiche Läuferin er
-
rang Betty Robinson (1911
– 1999) bei den Olympischen
Sommerspielen 1928 in Amsterdam Gold bzw. Silber im
100-Meter-Einzel- bzw. 4
x 100-Meter-Staffellauf. Bei ei
-
nem Flugzeugabsturz 1931 lebensgefährlich verletzt, be
-
fand sie sich mehrere Jahre in Rehabilitation ohne Aus
-
sicht, ihre sportliche Karriere fortsetzen zu können. Dies
gelang ihr wider Erwarten, sodass sie 1936 nicht nur in
die Auswahl für die Olympischen Sommerspiele in Ber
-
lin gelangte, sondern auch mit dem US-amerikanischen
Team Gold im 4
x 100-Meter-Staffellauf gewann.
Vorschläge zur Benennung
: Betty-Robinson-Straße/-Weg
3.12 Schwimmhalle (A)
Würdigung
: Die Schwimmhalle entstand zusammen
mit dem Sportplatz und der Sporthalle beim Bau des
Olympischen Dorfes 1934
– 1936 als Trainingsort für die
hier wohnenden Olympiateilnehmer. Nach den Spielen
nutzten sie zunächst die Wehrmacht – vermutlich für
Reha-Anwendungen der Lazarettinsassen und für den
Truppensport der Infanterieschule –, dann die Rote Ar
-
mee zur Ausbildung ihres Olympiakaders. Nach Brand
-
stiftung 1993 schwer beschädigt, wurde das Gebäude
2010
– 2013 durch die DKB-Stiftung restauriert. Das
Gebäude steht als bedeutendes bauliches Zeugnis der
originalen Dorfanlage und dessen Instandhaltung nach
denkmalpflegerischen Gesichtspunkten in jüngerer Zeit.
Gleichzeitig bezeugt es die Kontinuität der sportlichen
Nutzung von Teilen des Olympischen Dorfes zwischen
1936 und 1992.
Vorschlag zur Benennung
: An der Schwimmhalle
3.13 Georg Schulz (A)
Würdigung
: Schulz (* 1882), der seit den Anfangsjahren
der Weimarer Republik als hoher Beamter im Reichs
-
wehrministerium tätig war, wurde 1934/1935 in den
Bauausschuss des Olympischen Dorfes berufen. In die
-
sem Amt koordinierte er namentlich die Auftragsverga
-
be an und die Zusammenarbeit mit den ausführenden
Bau- und Handwerksbetrieben. Beim Richtfest 1935 trat
er als Festredner auf. Schulz beging 1937 Selbstmord,
wahrscheinlich, weil er als Homosexueller die Ver
-
folgung durch den Staat fürchtete. Vor seinem letzten
8
Die Südfassade des sowjetischen Cafés an der Oberen Dorfaue mit der damals noch erhaltenen Leuchtreklame („Kafé Ótdych”), aufgenom
-
men 1995 (Foto: privat).
Vorschläge zur Benennung
16
Wohnsitz in Berlin erinnert seit 2007 ein „Stolperstein”
des Künstlers Gunter Demnig an ihn.
Die Biografie von Georg Schulz zeigt – wie auch jene
Wolfgang Fürstners (siehe oben), wie Beamte der Wei
-
marer Republik ihre Tätigkeit im NS-Staat fortsetzen,
dann aber mitunter Opfer der Ideologie wurden. Schulz
geriet wegen seiner sexuellen Orientierung ins Faden
-
kreuz der maßgeblich durch Adolf Hitler und Heinrich
Himmler betriebenen Verfolgung Homosexueller, die als
Feinde des Nationalsozialismus deklariert wurden.
Vorschlag zur Benennung
: Georg-Schulz-Straße, -Weg
4. Nutzung durch die Wehrmacht
(1936 – 1945)
4.1 Operation Walküre (B)
Würdigung
: Einheiten des Infanterie-Lehr-Regiments,
das ab 1937 in der Infanterieschule im Dorf stationiert
war, wurden während des Unternehmens „Walküre”
der militärischen Widerstandskämpfer um Claus Schenk
Graf von Stauffenberg mobilisiert und besetzten unter
Führung von Major Friedrich Jakob u. a. das Haus des
Rundfunks in Berlin. Obschon nicht nachzuweisen ist,
ob und inwiefern die aus Döberitz zusammengezogenen
Verbände dem aktiven Widerstand zuzurechnen sind
oder nur Befehle ausführten, ist das Olympische Dorf El
-
stal in jedem Fall einer der Schauplätze des militärischen
Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.
Vorschlag zur Benennung
: Walkürestraße
5. Nutzung durch die Rote Armee (1945
– 1992)
5.1 Interkulturelle Begegnung (A)
Würdigung
: Wider offizieller Darstellung („sozialisti
-
scher Bruderstaat”) behinderten die Regierungen der
UdSSR und der DDR zwischenmenschliche Begegnun
-
gen zwischen Bürgerinnen und Bürgern der DDR und
Angehörigen der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte
in Deutschland nach Kräften – mit weitreichenden Fol
-
gen für den gegenseitigen interkulturellen Austausch,
die Eigen- und Fremdwahrnehmung und besonders auf
Seiten der sowjetischen Wehrdienstleistenden für die
9
Wandmalerei mit dem Olympia-Maskottchen Mischa (oder Mischka) nebst Gürtel als Fußballspieler, geschaffen um 1980, in einem mittler
-
weile abgebrochenen Gebäude des Olympischen Dorfes (Foto: Thomas Steller).
Vorschläge zur Benennung
17
psychische Gesundheit. Im Olympischen Dorf Elstal gab
es indes zwei Einrichtungen, die die interkulturelle Be
-
gegnung innerhalb enger Grenzen erlaubten: Beim Um
-
bau des Dorfareals südlich der Oberen Dorfaue entstand
in den 1960er Jahren zwischen den neuen Plattenbau
-
ten für Offiziersfamilien eine zentrale, erdgeschossige
Kaufhalle mit außergewöhnlich gutem Warenangebot,
die ausnahmsweise auch Gästen aus der DDR zugäng
-
lich war. Sowohl den sowjetischen Militärangehörigen
als auch den deutschen Nachbarn war das Geschäft ge
-
meinhin als „magasín” bekannt.
Neben den Leistungssportlern aus Armeekreisen,
die vornehmlich im Speisehaus, der Sport- und der
Schwimmhalle für die Olympischen Spiele trainierten,
betrieben die sowjetischen Militärangehörigen auch
Amateursport. Der 22. Armeesportclub der Gruppe der
Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (im deutschen
Sprachgebrauch der DDR kurz „SASK” = „Sowjetischer
Armeesportklub”, russisch: „SKA” = „Sportívny klub
ármii”) war besonders im Fußball aktiv und erfolgreich,
auch deshalb, weil dort Profispieler des ZSKA Moskau
aktiv waren, die ihren Wehrdienst ableisteten (darunter
der Stürmer Olég Kopájew). Die Fußballabteilung be
-
stritt diverse Test- und Freundschaftsspiele mit Verei
-
nen der DDR-Oberliga, aber auch regionalen Teams. Mit
dem Abzug der GUS-Armee 1992 endete die Existenz
des Clubs. Der Sportclub ist vielen Elstalern noch immer
in lebhafter Erinnerung.
Das Magasin und der Armeesportclub stehen für die
wenigen Möglichkeiten zum sozialen und kulturellen
Austausch zwischen DDR- und Sowjetbürgern in Elstal.
Vorschlag zur Benennung
: Straße der Begegnung
5.2 Café (A)
Würdigung
: Das Gebäude (Abb. 8, S. 15), ein erdge
-
schossiger Stahlbetonskelettbau mit Aussichtsterrasse
zur Oberen Dorfaue aus den späten 1960er oder 1970er
Jahren, gehörte zu den zentralen sozialen Treffpunkten
und modernen architektonischen Landmarken der sow
-
jetischen Garnison. Es steht stellvertretend für die zivi
-
le Nutzung des Dorfes in Form des „Wohnstädtchens”
(russisch: „Schilói gorodók”) für Offiziersfamilien. Nach
langem Leerstand wurde es vor einigen Jahren bis auf
den Gebäudesockel abgebrochen. Offiziell hieß das
Etablissement „Kafé Ótdych” („Café zur Erholung”).
Unter den deutschsprachigen Einwohnern von Elstal
firmierte es als „Russisches Café”. Diese Bezeichnung
entspricht der im gesamtdeutschen Sprachgebrauch
der Nachkriegszeit verbreiteten, bisweilen abwertenden
Verkürzung der Sowjetunion und ihrer Bewohner auf
„Russland” bzw. „die Russen”, obwohl die Militäran
-
gehörigen an den Standorten in der früheren DDR aus
allen Teilen des Vielvölkerstaates UdSSR kamen, davon
viele aus Zentralasien und dem Kaukasus.
Vorschlag zur Benennung
: Zur Erholung
5.3 Mischka (A)
Würdigung
: Míscha (Kurzform des Vornamens
„Michaíl”), in Märchen, Fabeln und Kindergeschichten
des ostslawischen Kulturkreises regelmäßig Name des
Bären, wurde für die Olympischen Sommerspiele 1980
in Moskau als Maskottchen ausgewählt. Im allgemeinen
Sprachgebrauch der UdSSR setzte sich die Koseform
„Míschka” für das Maskottchen durch. Malereien mit
Darstellungen Mischkas, die sich an der offiziellen Illus
-
tration des Künstlers Wíktor Tschíschikow orientieren,
zierten mehrere Wände in den Bauten des Olympischen
Dorfes (Abb. 9, S. 16). Diese Bildwerke, mutmaßlich
von hier stationierten Soldaten geschaffen, mögen ei
-
nerseits propagandistisch intendierte Auftragswerke
gewesen sein, waren aber auch Ausdruck des Stolzes,
den viele Sowjetbürgerinnen und -bürger über die Aus
-
zeichnung als Olympiagastgeber empfunden haben.
Das international bekannte und zumindest in der DDR
mit Sympathie aufgenommene Maskottchen spannt den
Bogen zwischen der sportlichen Nutzung des Dorfes
1936 und 1945
– 1992. Gleichzeitig eröffnet die Auseinan
-
dersetzung mit dem Boykott der Spiele durch die westli
-
che Welt einen Zugang zur Epoche des „Kalten Krieges”
mit seinen fortwährenden Konflikten zwischen Ost und
West auf nahezu allen Ebenen.
Vorschlag zur Benennung
: Mischkaweg
5.4 Transitstrecke (A)
Würdigung
: Die Hamburger Chaussee war 1945
– 1990
Teil der „Transitstrecke” Fernverkehrsstraße 5, die die
BRD mit West-Berlin verband. Im Osten des Militärkran
-
kenhauses gab es eine davon abzweigende Wendeplatte
mit Bushaltestelle, die auch von DDR-Bürgerinnen und
Bürgern genutzt wurde. Reisende aus dem Westen durf
-
ten die Straße nur an Tank- und Rastplätzen kurzzeitig
verlassen. Die staatlichen Sicherheitsorgane der DDR
überwachten die Transitstrecke intensiv und mit gro
-
ßem technischen und personellen Aufwand, vor allem,
um DDR-Bürgerinnen und Bürger an der Flucht in den
Westen zu hindern. Als bedeutendes Zeugnis deutsch-
deutscher Geschichte und insbesondere der deutschen
Teilung und ihrer Folgen darf die Transitstraße als ein
gesamtdeutscher Erinnerungsort gelten.
Vorschlag zur Benennung
: An der Transitstrecke
Vorschläge zur Benennung
18
Übersicht der Benennungsvorschläge
Nr.
Namensvorschlag
Bezugspunkt auf dem Dorfareal (vgl. Lageplan)
Kategorie
1.1
Dorfaue
Dorfaue
A
1.2
Birke
Waldsee
B
1.3
Elsgrund
Südwesten des Dorfes
A
1.4
Rhinslake
Hindenburghaus
B
2.1
Garnison
frei wählbar
B
2.2
Fliegerkaserne
Offizierskasino
A
2.3
Seeckt, Hans von
frei wählbar
B
3.1
Empfangsgebäude
Empfangsgebäude
A
3.2
Bastion
Bastion im Südosten der Oberen Dorfaue
A
3.3
Bergmann, Gretel
frei wählbar
A
3.4
Elek, Ilona
frei wählbar
A
3.5
Fürstner, Wolfgang
Kommandantenhaus östlich des Sportplatzes
A
3.6
Fernsehübertragung
Hindenburghaus
B
3.7a
Frankenweg
Westlich Hindenburghaus zwischen Hs. 137
– 152
A
3.7b
Moselweg
Süden des Dorfes zwischen Hs. 48
– 58
A
3.7c
Sachsenweg
Südwestlich der Schwimmhalle zwischen Hs. 96
– 106
A
3.8
Kee-chung, Sohn
frei wählbar
A
3.9
Long, Luz
frei wählbar
A
3.10
Märchenwald
Nordwesten des Dorfes
B
3.11
Nakache, Alfred
Süden des Dorfes zwischen den Plattenbauten
A
3.12
Robinson, Betty
frei wählbar
A
3.13
Schwimmhalle
Schwimmhalle
A
3.14
Schulz, Georg
frei wählbar
A
4.1
Walküre, Operation
frei wählbar
B
5.1
Interkulturelle Begegnung
frei wählbar
A
5.2
Café „Zur Erholung”
Süden der Oberen Dorfaue
A
5.3
Mischka
Nähe Speisehaus, Schwimmhalle und Sportplatz
A
5.4
Transitstrecke
Wendeplatte östlich von Hs. 54
A
Vermittlung im Rahmen des Musealen Konzeptes
19
Vermittlung im Rahmen
des Musealen Konzeptes
Allgemeines
Es ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der
künftigen Bewohnerinnen und Bewohner und Gäste
auf dem Areal mit den potentiellen Namensgeber
-
kandidatinnen und -kandidaten nicht vertraut ist.
Eine Erläuterung zum jeweiligen Namen ist, auch
und vor allem mit Blick auf das avisierte Museale
Konzept für das gesamte Dorfareal, unerlässlich.
Für die
räumliche Vergabe
der Straßen- und Platz
-
bezeichnungen rege ich an, die Namen mit der To
-
pografie und Denkmallandschaft zu verknüpfen, d.
h., dass etwa die Straße „An der Bastion“ auch in
unmittelbarer Nähe der bezeichneten Landmarke
verläuft und mit dieser möglichst in direkter Blick
-
beziehung liegt. Bei den Personen, die im Dorf wirk
-
ten, sollten die nach ihnen bezeichneten Straßen und
Plätze in der Nähe ihrer Wohnstätten während der
Olympischen Spiele von 1936 liegen (die Nutzung
der Athletenhäuser durch die Nationalmannschaf
-
ten ist überliefert). Dadurch ergeben sich zusätz
-
liche Synergieeffekte zwischen dem öffentlichen
Verkehrsraum, dem historischen Denkmalbestand
und dem Musealen Konzept. Die jeweiligen Bezugs
-
punkte im Dorfraum sind in der tabellarischen Auf
-
stellung der Benennungsvorschläge (vorangehende
Seite) und im beiliegenden Lageplan verzeichnet.
Die Verbindung von Dorfraum und Namen erlau
-
ben es Bewohnern und Besuchern räumliche Quer
-
verbindungen zu schaffen, sich im historischen
Raum des Dorfes besser zu verorten, Zusammen
-
hänge besser zu verstehen und sich mithin tiefgrei
-
fender mit der Örtlichkeit und ihrer Geschichte zu
identifizieren.
Einbindung in das Museale Konzept
Die Erläuterung der Straßen- und Platznamen
muss aus meiner Sicht zwingend im Rahmen des
geplanten Musealen Konzeptes entstehen. Ich rate
mit Nachdruck davon ab, ein paralleles Informati
-
onssystem für die Straßennamen anzulegen, dass
Redundanzen und unnötige Kosten für Erstellung
und Instandhaltung verursachen würde. Die nach
-
folgenden Ausführungen sind mithin gleichzeitig
Überlegungen für das Museale Konzept bzw. des
-
sen Bestandteile im Freiland. Die Vermittlung sollte
auf zwei Ebenen erfolgen – und zwar sowohl analog
und digital –, um den unterschiedlichen Bedürfnis
-
sen der Nutzergruppen entgegenzukommen.
Analoge Vermittlung
Kleine Erläuterungsschilder, wie sie in vielen Städ
-
ten und Gemeinden vor allem im Zuge der Neuver
-
gabe von Straßennamen am Schildmast angebracht
werden, sind meines Erachtens nicht ausreichend.
Stattdessen schlage ich vor, die Bezeichnung der je
-
weiligen Verkehrsfläche auf einer vom Schildmast
unabhängigen
Stele
oder wandfesten Tafel zu er
-
läutern. Die Positionierung sollte so erfolgen, dass
die jeweilige Station auch für Ortsfremde leicht
auszumachen ist, ohne dass sie freilich die Ver
-
kehrssicherheit gefährdet. Im Rahmen eines noch zu
konzipierenden Besucherleitsystems für das Muse
-
ale Konzept auf dem gesamten Dorfareal sollte zu
-
mindest am Beginn und Ende der jeweiligen Straße
ein Hinweis angebracht werden, der den Weg zur
jeweiligen Stele weist. Auch erscheint es mir sinn
-
voll, im Rahmen des Leitsystemes einen Einführung
und einen Überblick über alle Stationen anzubie
-
ten (siehe dazu auch unten, Digitale Vermittlung).
Jede Stele informiert in niederschwelliger Dar
-
stellung über den spezifischen namensgebenden
Sachverhalt, ein Gebäude, ein Phänomen oder eine
mit dem Dorf verbundene Persönlichkeit. Dabei sol
-
len insbesondere der jeweilige historische Kontext
und kritische Aspekte, etwa die propagandistische
mediale Inszenierung der Spiele von 1936 und ein
-
zelner Sportler im Sinne der nationalsozialistischen
Rassenideologie, die Instrumentalisierung jüdi
-
scher Teilnehmerinnen und Teilnehmer, thematisiert
werden. Anlog zum bereits in Feinplanung bzw.
Ausführung befindlichen Abschnitt des Musealen
Vermittlung im Rahmen des Musealen Konzeptes
20
Konzeptes im Speisehaus der Nationen und auf den
Dorfflächen im Eigentum der terraplan-Gruppe soll
-
ten die Texte zweisprachig in Deutsch und Englisch
angeboten werden. Die hohe Bedeutung des Olym
-
pischen Dorfes als Stätte internationaler Geschichte
und insbesondere Sport- und Architekturgeschichte
erfordert zumindest eine solche zweisprachige Lö
-
sung, die den Bedürfnissen internationaler Besuche
-
rinnen und Besucher entgegenkommt.
Die Texte sollten neben der Überschrift und Un
-
terüberschrift (ca. 100 plus 300 Zeichen inklusive
Leerzeichen) 600 Zeichen nicht überschreiten. Auch
sollten unbedingt die Bedürfnisse sehbehinderter
Besucherinnen und Besucher durch eine entspre
-
chende Gestaltung (Textgröße, Brailleschrift, ggf.
akustischer Vortrag der Texte in Zusammenhang
mit einer dorfübergreifenden Besucher-App für per
-
sönliche Mobilgeräte) berücksichtigt werden. Jede
Stele sollte mit zwei bis drei historischen Abbildun
-
gen bestückt werden. Hierzu kann aus dem reichen
Fundus bildlicher Überlieferung geschöpft werden.
Ferner gilt es beim Bildmaterial ebenso kritisch zu
prüfen, welches Material sich mit Blick auf Urheber-
und Nutzungsrecht bzw. deren Verfall verwenden
lässt und wo sich Mehrausgaben für die Akquise der
teils äußerst hohen Nutzungsentgelte bei Bildagen
-
turen lohnen. Bei der Gestaltung der Stelen (Ausstel
-
lungsbau und Grafik) ist ein zusammenhängendes,
in sich stimmiges Corporate Design von Nöten. Ent
-
würfe sind für das Speisehaus und die Grundstücke
der terraplan-Gruppe derzeit in Arbeit.
Digitale Vermittlung
Als verbindendes Element, das den Zusammenhang
zwischen den einzelnen Stelen herstellt und darüber
hinaus vertiefende Informationen bereithält, bietet
sich eine
digitale App
für mobile Endgeräte an. Diese
kann dann auch den Weg zu den verschiedenen Ste
-
len weisen und Zusammenhänge mit anderen Stati
-
onen, Bauten und Narrativen im Dorfraum herstel
-
len, die auf analogem Wege nur äußerst aufwendig
herzustellen wären. Eine Ansteuerung der Informa
-
tionen an der analogen Stele wäre z. B. durch einen
dort angebrachten QR-Code möglich. Eine solche
digitale Anwendung, die entsprechende Kosten für
Herstellung und Wartung verursachen würde, kann
es meines Erachtens aber nur im Rahmen eines kon
-
zertierten Konzeptes für das gesamte (!) Dorfareal
geben, bei dem alle Verfahrensbeteiligten an einem
Strang ziehen.
Ausführung
Von zentraler Bedeutung ist eine robuste – das heißt
möglichst gut vor Witterungseinflüssen und Vanda
-
lismus gefeite – und hochwertige Ausführung der
Stationen. Der Preis für die Erstanschaffung ist hö
-
her, dafür sinken die Kosten für Instandhaltung und
Reparaturen. Zudem hat eine hochwertige Ausfüh
-
rung einen nicht unerhebliche Auswirkung auf die
Wahrnehmung des museal genutzten Areals „Olym
-
pisches Dorf“ und sekundär auf die Gemeinde als
Ganzes. Erfahrungsgemäß ist besonderer Wert dar
-
auf zu legen, dass Abbildungen auf den Stelen nicht
übermäßig rasch durch Sonneneinstrahlung ausblei
-
chen und dass sich Beschädigungen (insbesondere
Graffiti und Schmierereien) möglichst einfach und
rückstandsfrei entfernen lassen.
Um das Ziel einer hochwertigen und robusten
Ausführung der Stationen zu erreichen, empfehle
ich der Gemeinde die Zusammenarbeit mit einem
Grafikbüro und einem Betrieb für Ausstellungsbau,
der einschlägige Erfahrungen (insbesondere in Ma
-
terialkunde und Design-Ergonomie) für Installatio
-
nen unter freiem Himmel aufbieten kann.
Verzeichnis der verwendeten Literatur (Auswahl)
21
Verzeichnis der
verwendeten Literatur (Auswahl)
100 Jahre Elstal. Vergangenheit – Gegenwart – Zu
-
kunft. Hrsg. von Historia Elstal e.
V. 2. Aufl. Elstal
2018.
Berno Bahro/Jutta Braun/Hans Joachim Teichler
(Hg.): Vergessene Rekorde. Jüdische Leichtathletin
-
nen vor und nach 1933 (Bundeszentrale für Politi
-
sche Bildung. Schriftenreihe, 1084). Berlin 2010.
Wolfgang Cilleßen: Das Olympische Dorf 1936. Groß
Glienicke 1996.
Reinhard E. Fischer: Die Ortsnamen des Havellan
-
des (Brandenburgisches Namenbuch/Berliner Bei
-
träge zur Namensforschung, 4). Weimar 1976.
Emanuel Hübner: Das Olympische Dorf von 1936.
Planung, Bau und Nutzungsgeschichte. Diss. Müns
-
ter 2014. Paderborn 2015.
Martin Kaule: Olympiastadion Berlin und Olympi
-
sches Dorf Elstal (Orte der Geschichte). Berlin 2014.
Kai-Heinrich Long: Luz Long. Eine Sportlerkarriere
im Dritten Reich. Sein Leben in Dokumenten und
Bildern. Hildesheim 2015.
Hans Saalbach: Dorf des Friedens. Erbaut von der
Wehrmacht des Deutschen Reiches zur Feier der XI.
Olympischen Spiele Berlin 1936. Leipzig 1936.
Sergei Tschikow: Советская Олимпия 1945
– 1992.
Sowjetische Olympia 1945
– 1992. Gedenkalbum.
Garnison Elstal auf den Fotos der sowjetischen Sol
-
daten und Offiziere. O. O. und o. J. [Dawlekanowo,
2018].
Impressum
22
Impressum
Text & Grafische Gestaltung
Sebastian Gulden
Denkmalpflegerischer Gutachter
Bau- & Kunsthistoriker
Bucher Straße 74, 90408 Nürnberg
Telefon: 09 11
/ 65 06 47 17
info@sebastian-gulden.com
www.sebastian-gulden.com
Redaktionsschluss
19. März 2021
Dieses Werk wurde in der Schriftart „Palatino“ von Her
-
mann Zapf gesetzt.
© 2021 Sebastian Gulden
Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.
Städtebaulicher Entwurf: A.1.c 12.12.16 Variante 3 / M 1:3500 (A3)
Meier-Hartmann
Gesellschaft von
Architekten
mbH
Entwicklung des Olympischen Dorfes von 1936 in Elstal
Bestand Denkmal
Bestand
Abbruch Bestand
Neubau
Stellplätze "öffentlich"
Stellplätze privat
Straßen/Wege/Plätze
Öffentlich Sport/ Freizeit/ Spiel
private Fläche
private Fläche öffentlich zugänglich
öffentliche Fläche/ "Wald"/ Auen
Bestand Denkmal - Sohlplatte
Gebietsgrenze/ Baugebiete
B1
A
C2
D
E
F
G
H
I1
ehem. See - Reaktivierung durch
Regenwassereinspeisung
Bäume Bestand
Bäume geplant
Baumgruppen geplant
Standorte der Probebohrungen (Hydro
Consult Dokumentation vom 08.06.2016)
100m -Linie (TWSZ II)
B2
B3
B4
C1
I2
Grenze des I. Bauabschnitts
geplante Lärmschutzwand
Baumgruppen (Luftbild)
5.3
5.3
3.5
3.1
3.10
1.4
1.1
1.2
1.3
3.6
Lageplan zur Benennung der Verkehrsflächen im Olympischen Dorf Elstal
Nördlicher Teil (nicht maßstabsgerecht)
4.1
Verweis auf Eintrag in der Aufstellung „Vorschläge zur Benennung“
Stand: 19. März 2021
Bearbeiter: Sebastian Gulden
1.1
3.2
3.7
a
3.7
c
3.13
(zum südlichen Dorfteil vgl.
nachfolgendes
Planblatt)
200203
van geisten.marfels
architekten
Antrag auf Einleitung eines Bebauungsplanverf ahrens
Oly mpisc hes Dorf , Elst al/Wust ermark
Gebiete B4, C1, C2, D, H(a),
i 1( a ) , i 1( b ) u . i 2
Städtebaulic hes K onz ept _ A nmer k ungen TP (1)
BF=2.552 m
2
BF=479 m
2
BF = 450 m
2
BF=704 m
2
BF=704 m
2
BF=704 m
2
BF=681 m
2
BF=681 m
2
BF=350 m
2
BF=305 m
2
BF=303 m
2
BF=300 m
2
02
09
31,90
37,50
37,50
12,00
31,90
12,00
12,00
29,59
5
+51,0
+49,5
+50,5
+52,5
+48,5
+45,5
+49,5
+51,0
+47,5
+47,5
+52
BF=301 m
2
BF=319 m
2
BF=320 m
2
BF=319 m
2
BF=319 m
2
BF=319 m
2
BF=313 m
2
BF=299 m
2
BF=299 m
2
BF = 383 m
2
BF = 383 m
2
BF = 383 m
2
BF = 450 m
2
BF = 450 m
2
BF = 450 m
2
BF = 450 m
2
BF = 450 m
2
BF = 383 m
2
BF = 383 m
2
BF = 450 m
2
BF=39 m
2
BF=341 m
2
BF=1.151 m
2
BF=270 m
2
36
36
36
36
35
35
37
37
37
37
37
37
37
37
35
37
35
34
35
37
38
38
38
38
38
38
39
39
39
36
39
40
41
42
43
44
45
46
47
47
48
48
48
48
49
50
49
42
43
44
45
46
47
40
41
40
41
41
40
41
40
39
39
40
41
42
45
46
45
47
48
49
50
49
48
49
47
50
51
52
53
54
56
55
53
52
51
52
50
51
53
51
51
50
51
53
54
55
55
55
56
56
56
57
54
55
57
58
59
58
60
54
55
56
57
58
59
59
60
60
57
57
IV
III - IV /
Max. 14,0m /
Flachdach
III /
Max. 14,0m /
Flachdach
I+DG
I+DG
I+DG
I+DG
I+DG
08
06
03
III
III
III
II+DG
II+DG
II+DG
II+DG
II+DG
II+DG
II+DG
ehemal.
Bastion
III+ST / TH ca. 13,95m /
Flachdach
III / WH 6,5m /
Walmdach 30-40°
III / TH 6,5m /
Walmdach 30°-40°
ZB 1
ZB 2
ZB 3
II
II+DG
I+DG
II+DG
Zum
Olympischen Dorf
Historischer
Garten
3
39
38
"obere Aue"
"untere Aue"
II
Histor.
Säule
Geweg
BF=204 m
2
BF=482 m
2
ehemaliges Speisehaus
der Nationen
III-IV /
Max. 14.0m /
(o) Flachdach
III-IV / Max. 14.0m /
Flachdach
"B-Plan E36A"
100 m
0
50
12,00
+52,5
BF=300 m
2
BF=1.134 m
2
BF=681 m
2
BF=704 m
2
BF=41 m
2
50
D
Mannschafts-
quartier
(Mischgebiet)
II
11
10
05
04
07
C2+i1
Wohnen an der
oberen Aue
(Wohnen)
Hamburger Chaussee B5
II+DG / TH ca. 7,0m /
Walmdach ca. 35°
III / Max. 9,5m /
Flachdach
II / WH ca.3,6m /
Walmdach 30-40°
I+DG / TH ca. 3,5m /
Walmdach ca. 35°
I+DG
I+DG
I+DG
I+DG
I+DG
II+DG
II+DG
II+DG
01
Wald
Hallenruine
H
Versickerungs-
anlage
IV
IV
IV
IV
IV
IV
IV
II
III
I
II
Radweg
I
Wald
II-III / Max. 10,5m /
Flachdach
II / Max.7,0m /
Flachdach
II /
Max.
7,0m /
Flach-
dach
Waldweg
Einmann-
splitterbunker
Parkplatz
Blockbautenkarree
Parkhaus
+Gastronomie
B4
Quartier am
ehemal.
Offizierskasino
(Mischgebiet)
C1+i2
Blockbauten-
karree
(Wohnen+
Gewerbe in
Zwischenbauten)
öffentliche Straße
unterirdisches
Fledermaus-
quartier
Waldweg
Waldweg
H
H
"Robert Worst" Sportpfad
"Robert Worst" Sportpfad
ggf. Gehweg
einseitig sinnvoll
Weiterführung
Sportpfad
Führung Gehweg
seitlich am
Gebäudeensemble "D"
Klärung Verlauf Radweg
unter Bezugnahme
Baumbestand
Klärung
Verlauf Radweg
ggf. Weiterführung
Gehweg zwischen
B3 und D erforderlich
Standort Glas-
container
ist zu prüfen.
St ädt ebaulic hes K onzept
Stand: 03.02.2020
Lageplan
_
@
A3: M 1:2000 I
@A1: M 1:1000
V ORA BZUG
N
Abbruch
Neubauten
Neubauten mit extensiver Dachbegrünung
oberird. PKW-Stellplätze
Regenwasserversickerungsbecken
private Flächen
halböffentliche Flächen
öffentliche Flächen, Wald
Bestand Denkmal
Bestand
Legende:
Straßen und Wege
Bestandsbäume
geplante Bäume
II+ST
Gebietsgrenzen
Geschossigkeit (2+Staffelgeschoss)
Geltungsbereich_ca. 141.266m
2
Lärmschutzwand gebaut und geplant
Baumgruppen, Wald
TH, WH
Höhenangabe (Traufhöhe, Wandhöhe)
BF
Bebaute Fläche
Abendteuerspielplatz
Packstation
Standort unterirdische Glascontainer
Mögliche Führung Radweg
Durchwegung Lärmschutzwand
H
Bushaltestelle
Waldweg, Trampelpfad, Sportpfad
100 m
0
50
Anmerkungen_Stand 03.02.20
Lageplan zur Benennung der Verkehrsflächen im Olympischen Dorf Elstal
Südlicher Teil (nicht maßstabsgerecht)
4.1
Verweis auf Eintrag in der Aufstellung „Vorschläge zur Benennung“
Stand: 19. März 2021
Bearbeiter: Sebastian Gulden
2.2
5.4
3.7
b
3.11
5.2

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